von Daria Bierbrauer
Frauen können in Kunst und Kultur nur in einem gewissen Rahmen und in einer gewissen Dosierung stattfinden.[1] So scheint es zumindest, wenn man den aktuellen Kunstmarkt, den Kunstkanon und die gesellschaftliche Repräsentation von weiblichen Künstlerinnen anschaut. Männlichen Künstlern kommt bisher eine deutlich größere und letztendlich ungerechtfertigte Präsenz (in diesem Ausmaß) im Kunst- und Kulturbereich zu.[2] Sowohl in der Literatur, also auch in der Medienpräsenz, sowie in der Ausstellungslandschaft nehmen männliche Künstler den deutlich größeren Anteil des Raumes ein[3] und sind somit deutlich häufiger sichtbar, als Künstlerinnen. Dabei wird diese männliche Dominanz der Aufgabe eines Kunstkanons nicht gerecht, da so keine wirklichkeitsgetreue, repräsentative Darstellung der Kunstszene möglich ist. Dass Frauen im Kunstkanon eine Minderheit darstellen, liegt unteranderem daran, dass die Kunst selbst nicht geschlechtsneutral oder geschlechtsunabhängig betrachtet und bewertet wird, sondern abhängig von dem jeweiligen Geschlecht der Künstler*Innen beurteilt und entsprechend als relevant, oder nicht relevant kategorisiert wird.[4] Dieser Zustand scheint gesellschaftlich akzeptiert und etabliert zu sein, da er bereits eine gewisse historische Kontinuität aufweist. Aufarbeitungsansätze weiblicher Kunstpositionen sind bisher nur selten erfolgt und fanden auch nur geringfügig Beachtung.[5]
Es stellt sich also die Frage, wie ein repräsentativer Kunstkanon entstehen kann? Hierfür ist es (neben der Hinterfragung des aktuellen Kunstkanons) erforderlich, weibliche Kunstpositionen sichtbar zu machen. Diese Sichtbarkeit kann nur erreicht werden, wenn eine Überprüfung der Kriterien für Kunstbetrachtung und –bewertung erfolgt, um eine mögliche Anpassung der Parameter vornehmen zu können. Die Zuschreibung von „männlichen“ und „weiblichen“ Attributen in Kunstwerken ist nicht nur Zeichen eines reaktionären Verständnisses von Geschlechtlichkeit (und damit verbundenen Stereotypen), sondern birgt zusätzlich die Gefahr einer reduzierten Kunstbetrachtung, die der Realität nicht gerecht werden kann. Um also einen universalen Anspruch eines Kunstkanons erfüllen zu können, ist eine Rezeption von Kunstwerken von Künstlerinnen notwendig. Diese Rezeption muss sich außerdem sowohl auf zeitgenössische, als auch Werke der Vergangenheit beziehen, damit ein Kunstkanon entworfen werden kann, der eine tatsächliche Abbildung der kunstgeschichtlichen Relevanz, unabhängig von Geschlechtlichkeit, darstellt. Kunst und Künstler*Innen sind immer auch im Kontext ihrer Zeit zu betrachten und so ist eine Sichtbarkeit dieser immer auch an gesellschaftliche Verhältnisse geknüpft.
Es stellt sich folglich die Frage, ob wir einen Kunstkanon erhalten wollen, der die restriktiven, diskriminierenden Umstände bisheriger Gesellschaften widerspiegelt und etabliert oder ob sich unsere Gesellschaft inzwischen nicht von einer solchen Herangehensweise befreien kann und zu einer Entwicklung fähig ist, die eine umfassende und vielfältige Darstellung im Kunstkanon ermöglicht.
Wie eine entsprechende Herangehensweise aussehen kann, zeigt das Projekt „A space of their own“ von Jane Fortune, das im Artikel „Vergessene Künstlerinnen – A Space Of Their Own“ vorgestellt wird.
[1] Vgl. L.PENNY, Bitch Doktrin, 90ff. und M.KAISER, Neubesetzung des Kunst-Raumes, 11f.
[3] Vgl. K.SOHN, Die Kunst ist männlich: http://whtsnxt.net/275 (Stand: 31.01.2021).
[2] Vgl. H.BARZ/ M.CERCI, Frauen in Kunst und Kultur, 15.
[4] Vgl. M.KAISER, Neubesetzungen des Kunst-Raumes, 12f.
[5] Vgl. ebd. 13f.
Literatur:
Heiner Barz/ Meral Cerci: Frauen in Kunst und Kultur. Zwischen neuem Selbstbewusstsein und Quotenforderungen, Wiesbaden, 2015.
Monika Kaiser: Neubesetzungen des Kunst-Raumes. Feministische Kunstausstellungen und ihre Räume 1972-1987, Bielefeld, 2014.
Laurie Penny, Bitch Doktrin: Gender, Macht & Sehnsucht, Hamburg, 2017.
Kathrin Sohn, Die Kunst ist männlich in: http://whtsnxt.net/275 (Stand: 31.01.2021).
Abbildung:
„Scherentänzerinnen“ (2008) von Valie Export, www.valieexport.at