von Naomi Delveaux
Kunst und Bildung stehen schon seit der Aufklärung in einer engen Beziehung zueinander und doch gehen beide Begriffe hinsichtlich ihrer Bezeichnung unterschiedliche Wege. Bildung kann in dieser Überlegung entweder als Prozess (sich bilden) oder als Zustand (gebildet sein) angesehen werden. Die Kunst kann wiederum einmal als Indikator des Bildungsprozesses herangezogen werden oder ihr kommt die Funktion eines Instruments im Bildungsprozess zuteil. Der erste Aspekt wird auch als „kulturelles Kunstverständnis“ bezeichnet und soll festlegen, inwieweit eine Person oder Gruppe anhand des Grades ihrer/seiner Kunstsinnigkeit der Verinnerlichung von Kultur entspricht. Beim zweiten Aspekt ist Kunst jedoch ein Mittel zum Zweck, welche zu einer Bildung führen soll und wird so auch als „kulturelle Bildung“ bezeichnet.
Bildung durch künstlerische Mittel führt zu einer Gebildetheit, die an der Haltung des (zu bildenden) Individuums gegenüber der Kunst messbar ist.
Gürses, Hakan: Der Wille zum Kanonisieren. Kunst und Bildung im Wechselspiel, in: Magazin Erwachsenenbildung.at (Ausgabe 15), 2012, S. 3.
Doch wer oder was entscheidet über die künstlerischen Inhalte bzw. den Kunstkanon in der Bildung?
Demnach muss es auf jeden Fall eine „Richtschnur“[1] von Künstler*innen und Kunstwerken geben, an welcher sich auch die Bildung orientiert – wie kommt dieser zustande? Anhand welches Richtmaßes entstand und entsteht ein Kanon, der bildungsrelevante Kunst nicht einfach nur auflistet, sondern zugleich auch vorgibt, was oder wie Kunst zu sein hat? An dieser Stelle könnte man den vier Schwerpunkten von Jan Assmann folgen, die sich auf die Bedeutung des Kanons richten:
- Maßstab, Richtlinie und Kriterium
- Vorbild und Modell
- Regel und Norm
- Tabelle und Liste
Der Wert eines Kunstwerkes, der dessen Aufnahme in den Kanon bewirkt, ist dem Werk kein eingeschlossener Wert, da er „kontingent“[2] ist, das heißt er ist zwar nicht ganz zufällig, aber auch nicht zwangsläufig. Dadurch, dass sich die Kunstkritik lange auf diesen Aspekt fokussiert hat und sich zudem auch die Kunstvermittlung mit genau dieser Aufnahme hartnäckig befasst hat, befinden sich heute auch im Bildungskanon verschiedenste Namen und Titel der Kunst.
An dieser Stelle ist zudem die Untersuchung von Ton Brevers interessant, welcher 2005 in seinen publizierten Text „Cultural education and the canon“ auf die Frage eingegangen ist, was mit dem kulturellen Kanon im Bildungssystem passiert ist und wie sich dieser im Laufe der Zeit in den verschiedenen Nationen verändert hat.
Dabei hat er vor allem das Fach Kunst der Sekundarstufe II in den Fokus genommen und eine empirische Forschung hinsichtlich folgender Untersuchungsfragen durchgeführt:
1. Wie viel Aufmerksamkeit wird der eigenen nationalen Kultur im Gegensatz zu anderen Kulturen geschenkt?
2. Wie viel Aufmerksamkeit wird Kunst der Vergangenheit im Gegensatz zu Gegenwartskunst gewidmet?
3. Wie viel Aufmerksamkeit wird klassischer Kunst im Gegensatz zu populärer Kunst gegeben?
Zur Beantwortung dieser Fragen hat Ton Brevers als Hauptquelle Prüfungsfragen für Kunst verwendet und diese über einen Zeitraum von 14 Jahren gesammelt bzw. untersucht. Dabei ist zu erwähnen, dass die Daten von Schulen aus Deutschland, Frankreich, England und der Niederlande für die Forschung relevant waren. Hier ein Einblick in seine Auswertungen:
Zu Frage 1:
Zu Frage 2:
Zu Frage 3:
[1] Gürses, Hakan: Der Wille zum Kanonisieren. Kunst und Bildung im Wechselspiel, in: Magazin Erwachsenenbildung.at (Ausgabe 15), 2012, S. 5.
[2] Ebd., S. 5.
Quellen:
Gürses, Hakan: Der Wille zum Kanonisieren. Kunst und Bildung im Wechselspiel, in: Magazin Erwachsenenbildung.at (Ausgabe 15), 2012.
Brevers, Ton: Cultural education and the canon, Rotterdam 2005.
Tabellen:
Brevers, Ton: Cultural education and the canon, Rotterdam 2005, S. 390, 392 und 393.
Abbildung:
https://www.gerhard-richter.com/de/art/paintings/photo-paintings/women-27/reader-8054 (letzter Zugriff am 05.02.2021)